Den Humor (als Kompetenz für Führungskräfte) ernst nehmen
«Sie sind hier in einer Schule des Humors, Sie sollen lachen lernen. Nun, aller höherer Humor fängt damit an, dass man die eigene Person nicht mehr ernst nimmt»
Hermann Hesse, «Der Steppenwolf»
Das Einbringen von alternativen Perspektiven für die Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten in Situationen ist ein wichtiger Beitrag von Beratung. Um dem berechtigten Ernst der verschiedenen aktuellen Debatten in Organisationen einen Gegenpol anzubieten, wollen wir hier unsere Überlegungen zum Wesen der Funktion des Humors als wichtige personale Kompetenz für das Führungshandeln in unsicheren Zusammenhängen darlegen und Hinweise zu dessen Entwicklung geben.
Im Alltag wird Humor oft mit dem Auslösen von Lachen in Verbindung gebracht oder mit einer überdurchschnittlichen Menge an Witzen, Anekdoten oder spontaner Schlagfertigkeit von Personen assoziiert. Allerdings greift es zu kurz, Lachen gleichzusetzen mit Humor – auch wenn dessen gesundheitsfördernder Aspekt nicht zu unterschätzen ist. Vielmehr bildet Humor eine wichtige Seite der persönlichen Weltanschauung und die Gabe, durch Selbst- und Fremdreflexion relativieren zu können, d.h. Abstand nehmen zu können von Einengungen und aufgezwungener und übertriebener Ernsthaftigkeit. Sigmund Freud (1928; 1940, 265) beschreibt das Wesen des Humors in der «Ersparung von Affekten»: mit einem Scherz setzt man sich über mögliche Gefühlsäusserungen (z.B. Mitleid, Ärger, Schmerz, Rührung), zu denen eine Situation Anlass gäbe, hinweg. Das trägt eine gewisse Genugtuung ein und ermöglicht «humoristischen Lustgewinn». Humor setzt demnach voraus, dass man verfahrenen oder unlösbaren Situationen letztlich etwas Positives oder Anziehendes abgewinnt, indem man sie sozusagen – entgegen der Realität – trotzig verkehrt.
Ein solches Vorgehen schafft Distanz zu einer Sache, führt zu innerer Gelassenheit und ermöglicht es Menschen, über sich selber und das eigene Handeln zu lachen und somit das eigene Tun als verhandel- wie veränderbar darzubieten. Der Abstand zum Alltagsgeschehen durch das Befreiende und Erhebende des Humors hilft, den Blick für das Ganze zu wahren.
Ein humorvoller Kommunikationsstil erlaubt dem Gegenüber eine Freiheit, weil normalerweise geforderte Reaktionen oder Gefühle nicht mehr nötig sind; sie werden gewissermassen von der humorvollen Äusserung übernommen. Führungskräfte, welche z.B. notwendige Kritik mit humorvollen Interventionen gegenüber Mitarbeitenden verbinden können, unterstützen diese dabei, sich mit den starken und schwach ausgeprägten Seiten anzunehmen und fördern derart deren Selbstakzeptanz. Durch dieses Vorleben entsteht eine «entkrampfte Kultur», in welcher Mitarbeitende angstfreier vor Fehlern innovativ an schwierige Aufgaben herangehen und es wagen, entgegen ihren üblichen Gewohnheiten zu denken und zu handeln – weil sie sich mehr (zu)trauen, z.B. auch ihre Meinung zu sagen.
Damit ist nicht ein «flapsiger» Kommunikationsstil gemeint, bei dem man unter dem Deckmantel des Humors andere entwertet um gleichzeitig die provozierten Kränkungen als Humorlosigkeit abzuqualifizieren.
Obwohl Sigmund Freud (1928) schrieb, dass nicht alle Menschen zu einer humoristischen Einstellung fähig sind, vertreten wir die Ansicht, dass sich Humor, wenn er als personale Kompetenz und nicht als resistente Persönlicheitseigenschaft betrachtet wird, wie alle Kompetenzen entwickeln[1] lässt (Heyse & Erpenbeck 2009). Doch geht das nicht mit simplen Rezepten in Zeitschriften und Ratgeber-Literatur zum Humor wie «schauen Sie sich lustige Filme an» oder «machen Sie im Park einen Purzelbaum» gemeint, sondern erfordert eine reflexive Auseinandersetzung (Selbstbeobachtung/-einschätzung) verbunden mit Selbsttraining. Als ersten Schritt dazu empfehlen wir einen Selbstcheck mit folgenden Fragen:
- Welchen Stellenwert (auf einer Skala von 1 bis 10) hat für mich Humor ganz persönlich?
- Was motiviert mich humorvoll zu handeln?
- Welche Herausforderungen gelingen mir besser, wenn ich diese mit Humor angehe?
- Bei welchen Herausforderungen, die Humor erfordern würden, fällt es mir schwer, diesen zu nutzen?
- Wie gut gelingt es mir, humorvoll zu kommunizieren? An was mache ich meine Einschätzung fest?
Besprechen Sie Ihre Selbstbewertung mit einer Person Ihres Vertrauens. Fragen Sie diese nach deren Einschätzung. Und holen Sie auch von Ihren Arbeitskolleg*innen und Ihren Mitarbeitenden ein Feedback zu Ihrer Kommunikation ein.
Auf der Basis der Bestandsaufnahme können Sie einen Plan zur Umsetzung mit folgenden Leitfragen entwickeln:
- Warum (für welche Situationen) will ich meinen Humor weiterentwickeln? Welche Wirkungen (bei mir selber und bei meinem Umfeld) verspreche ich mir davon?
- Was sind meine konkreten nächsten drei Schritte um meinen Humor zu fördern und wieviel Zeit lasse ich mir dazu?
- Woran erkenne ich, dass ich meinen Humor gesteigert habe?
- Wer oder was kann mich in der Umsetzung unterstützen?
Kompetenzentwicklung braucht Zeit; gönnen Sie sie sich. Eine Prise Humor hilft.
Kompetenzentwicklung erfordert echte Herausforderungen, die die Lernenden nicht nur wissensbezogen, sondern auch emotional fordern. Voraussetzung dafür sind selbstorganisierte Lernprozesse, die durch die Einbindung in ein entsprechendes Lernsystem mit einem Netzwerk aus Lernpartner*innen und -begleitenden geprägt sind (Erpenbeck & Sauter 2015, 19-20).
Quellen:
- Erpenbeck, John & Sauter, Werner (2015). Wissen, Werte und Kompetenzen in der Mitarbeiterentwicklung. Ohne Gefühl geht in der Bildung gar nichts. Wiesbaden: Springer Gabler.
- Freud, Sigmund (1928). Der Humor. In Almanach der Psychoanalyse 1928. Wien: Internationaler Psychoanalytischer Verlag. S. 9-16.
- Freud, Sigmund (1940). Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten. In Sigm. Freud Gesammelte Werke chronologisch geordnet. Sechster Band. London: Imago Publishing Co.
- Hesse, Hermann (2002). Der Steppenwolf. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
- Heyse, Volker & Erpenbeck, John (2009). Kompetenztraining. Informations- und Trainingsprogramme (2. überarbeitete und erweiterte Auflage). Stuttgart: Schäffer-Pöschel.
- KODE®: https://www.kodekonzept.com/wissensressourcen/kompetenzen/ (Abgerufen am 31.08.2020)
Publiziert am 27. 09.2020 unter https://sbp-beratung.ch/blog
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