«Drive out fear» oder Leadership in Zeiten der Angst
Anfragen von Führungskräften in letzter Zeit beinhalten oft den Umgang mit verunsicherten Mitarbeitenden im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie.
Die Angst von Personen, die wegen ihres Berufes zur Arbeit gehen müssen und befürchten, sich im Rahmen der Arbeit oder auf dem Weg dorthin mit dem neuen Coronavirus anzustecken, ist berechtigt und stützt im guten Fall das geforderte Verhalten für Selbst- und Fremdschutz. Es handelt sich hier um situations-spezifische Angstgefühle («State»-Angst). Diese sind abzugrenzen von der Ängstlichkeit als Persönlichkeitsdisposition («Trait»-Angst).
Angst entsteht immer dann, wenn der Mensch in Dingen, die sein Leben oder seine Arbeit eng berühren, das Gefühl der Ohnmacht hat. Wichtig: Angst ist eine häufige Ursache von Fehlern und schwächt das Immunsystem.
Im ungünstigen Fall wirkt sie nicht nur für die Betroffenen lähmend. Es kann das ganze Team davon beeinflusst sein, oder sie kann Auswirkungen haben auf die Beziehung zwischen dem Mitarbeitenden und der Führungskraft und diese möglicherweise nachhaltig schädigen.
Um als Führungskraft derartige Situationen adäquat zu strukturieren empfehlen wir vier Schritte:
- Gestalten Sie durch Reflexion von eigenen Erfahrungen im Bereich Angst und Sorge einen selbst-bewussten Zugang. Hilfreich sind Fragen wie, was Sie unter Angst verstehen, wie Sie damit umgehen, welches Verhalten Angst und Sorge bei Ihnen auslöst oder verstärkt und was sie mildert oder auch, welche Beobachtungen Sie im Team mit Angst gemacht haben.
- Nun geht es darum, dass Sie im individuellen Gespräch Ängste von Mitarbeitenden auf der Ebene des beschreibbaren Verhaltens erkennen. Anzeichen von Ängsten äussern sich verschieden und zeigen eine breite Palette von impulsiven Äusserungen zum Angsterleben bis hin zu besorgtem, nervösem und unsicherem Verhalten. Wichtig ist, dass in dieser Phase die Ängste klar benannt werden, sich die Mitarbeiterin diesen stellt (vielleicht gar «den Teufel an die Wand malt») und von Ihnen auf einer emphatischen Ebene nachvollzogen werden können. Das bedeutet nicht, dass Sie die Auswirkungen davon gutheissen müssen!
- Auf dieser Basis überlegen Sie zusammen mit der Mitarbeiterin Massnahmen zur Herstellung von Sicherheit und Minderung der Ängste. Das können Ansätze im Bereich Arbeitsgestaltung, Arbeitszeiten oder andere Massnahmen sein. Die Inanspruchnahme einer externen AnsprechpartnerIn, z. B. in Form einer individuellen Begleitung von Mitarbeitenden durch eine Fachperson, kann unterstützen oder Schritte gar erst möglich machen.
- Die Umsetzung der erarbeiteten Massnahmen sowie deren laufende Evaluation stehen als Nächstes an und betreffen auch die organisationale Ebene. Welche Ängste des Mitarbeiters wurden erkannt, wie werden diese (a) kurzfristig und (b) langfristig gelöst und welche Vorbeugung gibt es in Überforderungssituationen? Diese Klärungen müssen u. U. mit verschiedenen Stellen der Organisation erfolgen. Für eine vertiefte Reflexion der Situation, in welcher die Wahrnehmung von betroffenen Mitarbeitenden, des gesamten Teams sowie Ihre Führungsrolle überprüft und gestaltet werden, empfehlen wir ein professionelles Coaching.
«Drive out fear» bedeutet «Beseitige die Angst, so dass jeder effektiv für die Organisation arbeiten kann». Dies ist der 8. Punkt aus den 14 Managementprinzipien aus dem bekannten Werk des Pioniers im Bereich des Qualitätsmanagements, Edwards W. Deming (2018/[1982]).
Quellen:
- Andersch-Sattler, Heinz-Günther (2014). Vom konstruktiven Umgang mit Emotionen in Unternehmen.
- Deming, W. Edwards (2018/[1982]). Out of the Crisis. Cambridge: The MIT Press.
- Hlous, Nora & Prager, Sonja (2006). Psychosoziale Krisen in Unternehmen. Wien: Facultas.
- Roth, Gerhard & Ryba, Alica (2016). Coaching, Beratung und Gehirn. Neurobiologische Grundlagen wirksamer Veränderungsprozesse (2. Aufl.) Stuttgart: Klett-Cotta.
- Ruetz, Tim (2016). FEAR-Kompass.www.coaching-magazin.de/tools-methoden/fear-kompass (19.03.2020)
- Ulich, Dieter & Mayring, Philipp (2003). Psychologie der Emotionen (2. Aufl.). Stuttgart: Kohlhammer.
Publiziert am 29. März 2020
Kommentar schreiben